selbstständig & Familie

hey real.ONES,

Zeit für ein bisschen REAL.TALK
Wie ist das, wenn beide Elternteile Vollzeit selbstständig sind?

In unserer Familie sind mein Mann und ich beide Vollzeit selbstständig.
Und nein – wir sind keine Nebenbei-Selbstständigen,
die ihren sicheren Vollzeitjob haben und nebenher ein kleines Kleingewerbe betreiben.
Wir sind selbstständig. Voll. Beide. Zu 100%.
Mit allem, was dazugehört – den Höhen und den Tiefen.

Kein monatlich fixes Einkommen.
Kein bezahlter Urlaub.
Keine Lohnfortzahlung bei Krankheit.
Kein Weihnachtsgeld.
Kein “Kind ist krank”-Freistellung mit Gehalt.

Was wir haben?
Unseren Mut. Unsere Ideen. Unsere Arbeitskraft.
Und: was wir selbst erwirtschaften – für unsere 5-köpfige Familie.

Mein Mann ist Zimmerermeister mit eigenem Unternehmen – seit fast 10 Jahren lebt er Selbstständigkeit mit allem, was dazugehört.
Ich kam 2023 mit meinem Laden um die Ecke.
Und was soll ich sagen: ICH LIEBE ES!
Wir haben gerade frisch renoviert, und dieser Ort ist jetzt noch mehr das, was er immer sein sollte. Ein Herzensplatz. Ein Wohlfühlraum. Ein kleines Stück Glück zum Mitnehmen. Der Laden ist ICH.
Ich liebe meinen Job. Ich liebe meinen Laden.

Aber: Ich kann keine 5 Tage durchpowern.
Wir haben Kinder. Tiere. Haushalt. Garten. Grundstück.
Ich selbst kann gerade mal einen Nachmittag im Laden arbeiten. Da ist unser Jüngster bei Oma & Opa. Vormittags hatten wir ab Dienstag geöffnet – aber genau diese Zeiten mussten wir leider streichen.
Warum? Weil der Umsatz vormittags nicht im Verhältnis zum Aufwand stand.
Wenig Frequenz, kaum Verkäufe, viel Zeitaufwand, viel Organisation.

Und auch das gehört zur Selbstständigkeit:
Ehrlich hinschauen. Anpassen. Weitergehen. Sich entwickeln.

Und da hör ich sie schon um die Ecke kommen:
Die Karens und die Achims. 
"Sowas muss man vorher wissen!"
Nein, Karen. Muss man nicht. Manche Dinge, die weiß man vorher nicht.
Die entwickeln sich. Und Entwicklung ist gut.
Wir alle wissen: Stillstand bedeutet Rückschritt.

Und wie die Cathrin von FrauFairnando in ihrem Post das letzte Mal schon schrieb:
"ich bin so beseelt und stolz auf deinen, auf meinen, auf unseren Mut💜❤️
Wir sind Frauen, wir sind Mamas, wir leben in keiner hippen Großstadt und haben uns trotzdem getraut, diese Läden aufzubauen, und damit so kraftvolle und wuuuuunderschöne Orte - für alle - geschaffen… Ich liebe und feiere das schon gscheid😅🥹🫶🏼"
(Bitte besucht den wundervollsten Laden in ganz Neuötting - Cathrin ist ein großartiger Herzensmensch)


Und dann ist da noch die Sache mit dem Umsatz.
Wir haben nicht fix Monat für Monat den gleichen Nettolohn auf unserem Konto.

Denn: Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Gewinn ist nicht gleich Einkommen.

Nur weil im Monat xx € „reinkommen“, heißt das noch lange nicht, dass ich mir davon etwas zur Seite legen kann.

Ich bin keine Kleinunternehmerin – das heißt:
Ich muss von meinen Einnahmen auch noch Mehrwertsteuer abführen.
Das sind 19 % vom Umsatz, die nicht mir gehören. Die gehen direkt mal ans Finanzamt.
Was bleibt ist netto: zur Deckung aller Kosten.

Fixkosten? Ja, verdammt viele Fixkosten.
Ja, natürlich Karen, das hätte ich natürlich auch alles vorher wissen müssen.
Der Laden kostet viel, da hab ich noch nicht mal aufgesperrt.
Miete, Nebenkosten,
Versicherungen (Haftpflicht - wenn hier jemand stürzt ..., Inventarversicherung, wenn hier durch Feuer, Wasser oder Vandalismus was passiert..., Glas ... vier große Schaufenster, so schön wie sie sind aber die Versicherung - Halleluja), 
GEZ, GEMA (wer mag schon shoppen, ohne Hintergrundmusik, GEMA berechnet die Gebühren übrigens nach der qm Zahl der Verkaufsfläche)
Strom, Internet, Telefon, Domain für den online-shop
Softwarelizenzen, Warenwirtschaftssystem, Verpackungslizenz, Verpackungsmaterial,
Dozentenhonorare, Werbung, Steuerberatung, u. v. m.

Bleiben wir realistisch:
Von meinem Bruttoumsatz bleiben mir vielleicht 30% Gewinn
Und auch das ist optimistisch gerechnet.
Von dem Großteil der hier übrig bleibt kaufe ich wieder neue Ware ein.

Den Gewinn muss ich am Ende des Jahres aber auch noch versteuern.
Je nach Steuerklasse, Einkommen und Familienstatus bleiben mir dann vielleicht noch max. 12-15% von meinem Umsatz übrig. Für den Monat. Für mich. Für die Familie.

Also: Nein, Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Gewinn ist nicht gleich Einkommen.

Hab ich eigentlich schon die Versicherung angesprochen?
Wusstest du, dass deine Familienversicherung davon abhängt, wie viele Stunden du arbeitest und wie viel Gewinn du machst?
Sobald du bei einem der beiden Punkte über die Grenze kommst – zack, raus aus der Familienversicherung.
Dann heißt’s: selbst versichern.
Privat oder freiwillig gesetzlich.

Der monatliche Mindestbeitrag liegt bei rund 260 € – ganz egal, ob du in dem Monat überhaupt was verdient hast oder nicht.
Auch das musst du erstmal erwirtschaften.

Und auch das gehört zur Realität von Selbstständigkeit.
Keine Sicherheit, keine Pauschalen – du zahlst einfach. Immer.

Und ja, es braucht viel mehr Verständnis dafür, wie Selbstständigkeit wirklich funktioniert und was da alles dran hängt. Denn das kann einem vorher niemand sagen.

Darum: lasst uns stolz sein auf uns selbst, auf alle, die sich selbstständig machen, vor allem mit Familie. Wir rocken so viel. Wir leisten unglaubliches. Wir lieben mit jeder Faser unseres Körpers, was wir tun. Trotz aller Widrigkeiten. Lasst und gegenseitig unterstützen. Und lasst uns gegenseitig zu diesem Schritt ermutigen. Weil es einfach wundervoll ist.

Vollzeit selbstständig zu sein ist das Schönste. Wenn Träume Realität werden, ist das das Schönste. Wenn am Ende des Monats nicht viel übrig bleibt, wird aus dem Traum schnell Druck.

In meiner/unserer Konstellation heißt das:
Hab ich vielleicht zuviel verdient? zuviel gearbeitet? Muss ich mich doch selbst versichern?
Bzw. im gleichen Atemzug: Kann ich diesen Monat genug zur Familienkasse beitragen?

Meinen Traum werde ich niemals aufgeben. Und ich werde nie aufhören andere Frauen darin zu unterstützen. 

Ich muss jetzt ehrlich hinschauen. Mich anpassen. Ich muss weitergehen. muss mich entwickeln.
Was also ist die Erkenntnis daraus, was ist meine Erkenntnis? Ein sozialversicherungspflichtigen Nebenjob.
Also eigentlich einen Hauptjob. Denn in der Festanstellung muss ich mehr Stunden arbeiten und mehr Geld verdienen als mit meinem Herzenprojekt. Meiner Vision. Meinem Laden.
Ich brauche einen kleinen, aber sicheren Teil für unsere Familie.
Ein Sicherheitsnetz. Für den Krankheitsfall. Für ein bisschen Ruhe im Kopf.

Denn:
Und ja, Karen/Achim – vielleicht hätte ich das vorher wissen sollen.
Vielleicht.
Aber das Leben ist kein Businessplan.
Es ist ein Prozess.
Und wir wachsen daran. Jeden Tag.

Und wir sollten real bleiben. Und ehrlich zu uns uns selbst.
.... und shut the fuck up, Karen!

stay.KIND | stay.CURIOUS | stay.REAL
Franzi vom irl.team
Liebe geht raus

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3 Kommentare

An alle Mutigen der Selbständigkeit. Ich war selbst 28 Jahre lang mit Leib und Seele selbständig und hab mein ganzes Leben und Herzblut eingebracht.Auf viel Privates verzichtet und Urlaub und Brückentage waren mir fremd, nur damit das Rad sich dreht und alle Kosten reibungslos getätigt werden konnten. Ich bewundere Alle, die anhaltend mit Elan und Herzblut ihre Selbständigkeit erfüllen,nicht zuletzt um die persönlich und familiärgeführten netten Geschäfte zu erhalten. Ich wünsch Euch Allen viel Kraft und nette Kunden und trotzdem ein paar gemütliche Momente privat. Voller Respekt und mit lieben Grüssen A.Westermeier (ehemals vom Fass Landshut)

Westermeier Anneliese

Danke für deinen wunderbaren & ehrlichen Einblick in eure Selbstständigkeit 💛 so schön zu lesen, dass du trotz den ganzen finanziellen Stolpersteinen (die uns der Staat in den Weg legt) so mutig voran gehst! Ich finde es einfach traurig, dass wir wirklich extrem viel Steuer zahlen müssen. Dass dir von deinem hart verdienten Gewinn trotzdem noch was abgezwagt wird :( aber die pure Leidenschaft für dein eigenen Laden ist einfach dafür gemacht!

Katharina - katta design

starke Worte. Danke für soviel Ehrlichkeit. Ich bin nicht selbstständig, wäre es gern. Mal schauen, ob ich es wage. Alles Gute, liebe Franzi

Andrea

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